Stilbrüche, die das Programm so richtig spannend machen
Die Boomtown Jazzband pendeln zur Freude des Publikum zwischen New
Orleans, Mardi Gras und "La vie en rose"
LAHR. Lahr als Boomtown? Das kann doch nur
ironisch gemeint sein, oder etwa nicht? Die
Boomtown Jazzband stellt sich die Frage gar
nicht. "Irgendwas boomt immer" , meint ihr
Frontmann Dirk Bitterer. Derzeit sind es die
Mittwochabende im Schlachthof, die brummen.
Jede Band, die zur "Live-Schicht" ins
Schlachthof-Bistro kommt, bringt einerseits ihr
eigenes Fanpublikum mit, aber es gibt auch ein
Stammpublikum, das es genießt, mitten in der
Woche stets ganz anders geartete,
handgemachte Musik aus der Region zu hören.
Die Boomtown Jazzband mit ihren fünf Musikern aus Lahr und Umgebung passt da
bestens ins Programm, findet aber kaum auf dem kleinen Kneipenpodium Platz. Bald
schwenkt Kontrabassist Sven Bitterer den Bass gefährlich knapp am fein polierten
Scheitel seines Bruders Dirk vorbei. Bald fürchtet das Publikum, dass dieser auf seine
Trompeten-Dämpfer tritt, die er zwischen sich und Pascal Krämers Schlagzeug auf dem
Boden gestapelt hat. Sven Bitterers Tuba findet schon gar keinen Platz mehr auf dem
Podium, aber für Lukas Ruschitzka und sein Klavier und Boris Sieger samt Saxophon
gibt es noch ein Eckchen.
Zwischen 19 und 29 Jahre alt sind die Musiker, die in dieser Besetzung seit 2005
zusammen spielen. Seit 2002 gibt es die Boomtown Jazzband, und immer stand der
gute alte Jazz im Mittelpunkt — allerdings ohne jeden Anflug von Purismus. "New
Orleans" heißt die musikalische Klammer, die alles zusammen hält, vom Dixie-Sound
über Mardi-Gras Marching Band bis hin zu Funk-Anklängen, die aber noch recht
zaghaft ins bunt gemischte Repertoire Eingang gefunden haben.
Ein bisschen warm spielen müssen sich die fünf Kravattenträger erst einmal, bevor
dann der Funke auf das Publikum überspringt. Bei "New Orleans" und "Dream" zeigen
sie sich von der leisen, weichen Seite, beim "Muskrat Ramble" oder "Glorias Kitchen"
geht es handfester zu. Dabei scheuen die Boomtowners auch nicht die kleinen
Stilbrüche, die das Programm aber erst so richtig spannend machen. "La vie en rose"
ist so einer, und auch "Ya, Ya" , das mit dem nötigen Drive daherkommt, der wirklich in
die Beine geht.
Selten wurde ein Hut charmanter durch die Reihen gereicht
Die Boomtown Jazzband lieferte an diesem Abend entspannte Hintergrund-Musik, bei
der man sich noch unterhalten konnte. Dabei waren die Soli von Dirk Bitterer, Boris
Sieger und Lukas Ruschitzka überaus hörenswert, spannend, witzig, und mit einigem
Understatement gespielt. Dirk Bitterers Stimme ist ein wenig zu glatt, um den
verruchten Charme von "New Orleans" rüberzubringen, dafür sind die zarten Versuche
der drei Frontmänner, gelegentlich den Background-Chor zu mimen, unbedingt
ausbauwürdig. Die Rhythmusgruppe mit Sven Bitterer und Pascal Krämer hielt sich
stark zurück. Der Versuch, am späten Abend mit einer Polonaise durchs Lokal noch
den New Orleans Karneval "Mardi Gras" heraufzubeschwören darf als nicht ganz
gelungen gelten — aber selten wurde ein Hut zum Geldsammeln charmanter durch die
Reihen begleitet.